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Ivo von Renner im Interview mit der BFF Akademie:

Von Marken, Musen und dem Weg zu sich selbst


Foto: © Ivo von Renner


"Nur wer sich bewegt, kommt gut durch die Welt!", sagt Ivo von Renner und geht seit vielen Jahrzehnten mit gutem Beispiel voran: Seit 1978 hat er sich als Fotograf mit über 250 preisgekrönten Werbekampagnen einen Namen gemacht. Er arbeitet für Werbeagenturen in Europa, USA und Asien und ist in Galerien und Museen mit seiner Kunst vertreten. Der Mensch war und ist dabei der Mittelpunkt seiner Inszenierungen. Gemeinsam mit Managerin und Ehefrau Dagmar hat er zudem ein Business mit spannenden Seminar-Formaten aufgebaut. Ein Gespräch über Ebay als kreative Quelle und die Notwendigkeit einer eigenen Handschrift, sowie Insights aus seinem Meet the Professional-Workshop am 4. November.


Ist Ivo von Renner eine Marke?


Ja. Seit Ende der Siebziger Jahre steht mein Name für Inszenierungen mit Menschen. Ich habe mit erzählenden Fotoillustrationen begonnen, zu redaktionellen Themen wie Einsamkeit, Ehekrisen oder dem Nachstellen wahrer Geschichten für die "Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“. Für die Werbung habe ich anfangs nahezu ausschließlich Laienmodelle in eigenen Castings inszeniert, später habe ich auch mit englischen SchauspielerInnen gearbeitet. In dreißig Jahren Autofotografie waren Szenen ohne Menschen die Ausnahme.


Deine Frau Dagmar unterstützt Dich als Managerin, Muse und Macherin bei Deinen Workshops, weltweiten Aktivitäten und Projekten. Was ist das Geheimnis Eurer langjährigen Teamarbeit?


Wir sind gleichberechtigte Partner und haben gemeinsam Höhen und Tiefen erlebt. Dagmar ist mein Vis à vis und meine schärfste Kritikerin. Meistens hat sie recht.


Ihr wirkt sehr authentisch in dem, was Ihr macht, und scheint mit Eurem Business-Konzept und Eurer digitalen und analogen Kommunikation mit Leichtigkeit auf der Höhe der Zeit zu sein. Was braucht man dafür?

Ein frisches und gesundes Bewusstsein für alle und alles, die Fähigkeit zur Selbstreflektion und den beständigen Wunsch dazuzulernen.

Wann hast Du gemerkt, dass Du anderen gerne etwas beibringst und Dein Wissen teilst?


Es ist etwas, das ich gerne tue. Ich gehöre zur letzten Generation aktiver FotografInnen, die den allesumspannenden Bogen von der analogen zur digitalen Welt genießt. Die jüngeren Generationen haben oft keine Chance mehr, all das zu lernen, was mir vor die Füße gelegt wurde. Mit meinem Abstand zu ihnen suche ich nun nach neuen Wegen. Aber auch mit meinem Ausstieg aus der Werbung, einer Branche, in der nur noch der günstigste Fotograf den Job zu bekommen scheint.

Was ist das Wertvollste, das Du selbst von jemand anderem gelernt hast?


Schwer zu sagen. Es waren und sind immer die Begegnungen mit Menschen, die Großes entstehen lassen. Vielleicht war es jedoch auch meine Mal-Dozentin während des Studiums, die mich 1969 fragte: "Möchtest Du nicht eigentlich Schauspieler werden?“ Ich ließ dann spielen. Mein ganzes Leben lang.

Eines der Standbeine von Dir und Deiner Frau ist, Seminar-Formate für Firmen-KundInnen zu kreieren, in denen diese mit Euch kollaborativ fotografieren. Das klingt spannend. Erkläre uns mal genauer, welche Idee dahintersteckt.


Die ursprüngliche Idee für unsere Teambuilding-Seminare kam von einem Teilnehmer einer meiner Foto-Workshops. Wir wollten dann aus der Lebenserfahrung und den psychologischen Kenntnissen meiner Frau etwas Verbindendes und Lehrendes schaffen. Dagmar hat die Gabe, die unterschiedlichsten Menschen und Projekte zu verbinden. Noch dazu hat sie ein untrügliches Gespür für Qualität, Originalität und Zeitgeist. Schon seit Jahren beschäftigt sie sich professionell mit Themen wie Bewusstsein, Selbstverwirklichung, Achtsamkeit, Meditation und ganzheitlicher Lebensführung. Sie übernimmt in unseren Seminaren den psychologischen Teil. Die Kamera wird dabei zum Tool für Selbst -und Fremdwahrnehmung – und ich arbeite meiner Frau zu. Es geht um Erkennen und neues Erleben der Personen, die teilnehmen.

Du hast jahrzehntelang mit Menschen in aller Welt gearbeitet … Ja, eine Person, die mich dabei entscheidend geprägt hat, war mein legendärer Professor in Buchillustration. Er zeichnete sehr weitwinkelig aus nächster Nähe. In dieser Phase lernte ich die Nähe zum Menschen schätzen. Es gab zwar auch ein Teleobjektiv in meiner Fototasche, aber das ließ ich eher stecken. Denn mit einem Teleobjektiv war ich immer der Beobachter aus der Ferne.


Wie wichtig ist es in der heutigen Zeit, eine eigene Handschrift zu haben?


Bei der Masse an FotografInnen ist es inzwischen wichtiger denn je, eine erkennbare Marke zu sein. Auch weil es in den Köpfen derer, die Fotoprofis buchen, diese Schubladen gibt, die bei der Vergabe von Aufträgen geöffnet werden. Das ist menschlich, wenn auch doof. Doch wenn ich mit meiner Marke erst einmal eine Schublade besetze, kann ich zusätzlich ja immer wieder neue kreieren. Es braucht ein bisschen Zeit.


Du bist für Deine magischen Bilderwelten bekannt. Wie entsteht diese Magie? Hat sie vielleicht auch damit zu tun, zu sich selbst zu finden? Der Weg zu sich selbst ist ja ein Thema Deines BFF-Workshops.


Du musst wissen, was Du in Deinem Inneren wirklich willst. Das ist schwer herauszufinden, weil uns Abhängigkeiten irreleiten. Aber ich glaube, dass man beim Betrachten eines Portfolios den Menschen dahinter schon ganz gut erkennt.


Gibt es einen Trick, wie man trotz Abhängigkeiten auf sein Inneres hört?


Man stellt sich einfach nur mal vor, wie das Leben ohne Restaurantbesuche, ohne SUV, ohne Ratenzahlungen für das Reihenhaus und ohne einen Partner, der immerzu Forderungen stellt, aussehen würde. Welche Möglichkeiten sehe ich, wenn ich wirklich all meine Energie in die Fotografie stecken würde?

À propos: Um zu sich selbst zu finden, bedarf es auch Zeit für sich. Wie entspannst Du?


Ich entspanne nicht. Das muss ich noch lernen. Ich bin immer mit neuen Ideen für Bilder beschäftigt, statt zu entspannen. Ebay ist dabei eine der kreativsten Quellen für mich.


Was suchst Du dort?


Alles. Und beim 'Quersuchen' entdecke ich dann, was eine Person noch so verkauft ... Da tauchen immer neue Welten auf. Meine letzten Funde: Ein Vintage Leitz Balgengerät, eine Siebzigerjahre-Jacke von Stratojack, die Telly 'Kojak' Savalas in seinen Filmen getragen hat. Ein Halstuch aus England und ein Manfrotto-Stativ zum Umbau für mein Studio. Kreative Quellen sind für mich aber auch Ausstellungen. Historisches Bildmaterial finde ich ebenso interessant, es zeigt mir, wie fotografische Welten früher erfunden wurden. Und neu ist für mich immer wieder der Mensch, den ich noch nicht gesehen habe, sein Umfeld und mein Gestaltungswunsch, der zwangsläufig ein neues Bild hervorbringt. Ich brauche wohl noch 25 Jahre, um alles zu schaffen.


Was möchtest Du denn als nächstes schaffen?


Es gibt vier sehr aufwendige Motive in meinem Studio, für die ich seit zwei Jahren Requisiten sammele. Es wird wieder erotisch.

Lass uns doch mal – auch im Hinblick auf die TeilnehmerInnen Deines Workshops an der BFF Akademie – einen Blick in die Glaskugel werfen: Was würde in Zukunft höchstwahrscheinlich anders ablaufen als in Deiner eigenen Karriere?


Die Geschwindigkeit des Ablieferns hat sich extrem gesteigert. Mein analoges Training von damals hilft mir heute, schnell zu sein und spontan Entscheidungen zu treffen. Das ist ein Lernprozess, den ich gut erklären kann. Ich komme aus dem Studium der Buchillustration und dem Grafikdesign und habe mir das Fotografieren selbst beigebracht. Fotografie ist ein ständiger Lernprozess, der sich aus Technik und dem Umgang mit Menschen zusammensetzt. Erfolg braucht Freiheit von Zwängen und Verpflichtungen. Und Erfolg braucht ein wenig Glück. Glück kann man mehren, indem man seinen Hintern bewegt. Nur wer sich bewegt, kommt in Zukunft gut durch die Welt.










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